Donnerstag, 8. Oktober 2020 war ein besonderer Tag für mich: Meine erste Fraktionssitzung der SPD im Ruhrparlament an der Kronprinzenstraße in Essen. Die bisherigen Fraktionsmitglieder trafen auf die „Neuen“, die erstmalig direkt gewählt wurden. Hier ein paar Gedanken in der Folge.
Der Politik im Ruhrgebiet – das Ruhrparlament gehört zu den zentralen Kernstücken – kommt in den kommenden Jahren meiner Ansicht nach eine wichtige Aufgabe zu: Unsere Heimatregion für die Konkurrenz der großen Ballungsräume in Deutschland, Europa und der Welt fit machen. Selbst den großen Städten im Ruhrgebiet sollte klar sein: das kriegt keiner alleine hin. Die einzelne Stadt kann sich vor allem dann gut entwickeln, wenn sich die gesamte Region gut entwickelt.
Beispiel: In Gelsenkirchen, direkt an der Stadtgrenze zu Herne wird der Gewerbe- und Industriepark „Schalker Verein“ entwickelt wird. Wo können Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wohnen? Wo kaufen sie ein? Wo gehen ihr Kinder in Kita und Schule? Wie sieht die Anbindung des Gebiets aus? Diese Fragen und entsprechende Entwicklungen machen nicht an Stadtgrenzen halt. Kooperation und Austausch müssen intensiviert werden.
Die Zusammenarbeit vertiefen und die Grenzen bisherigen Denkens ausdehnen, was eigentlich Ruhrgebietspolitik kann und soll, gehört neben dem Alltagsgeschäft zu den Aufgaben, die in den kommenden Jahren anzugehen wären. Es kann nicht um ein Kompetenzgerangel zwischen Stadt-/Landkreispolitik auf der einen und Ruhrgebietspolitik auf der anderen Seite gehen. Es muss eine nüchterne Betrachtung vorgenommen werden: welche Ebene kann was sinnvoll am besten.
Beispiel 1: Das Thema „Sicherheit im Viertel“ bewegt viele Menschen im Ruhrgebiet. Es geht dabei nicht nur um Polizei und Sicherheitskräfte, sondern auch um Stadtplanung, Sozialarbeit und Bildung. Sich über die Situation im Ruhrgebiet und Strategien auszutauschen, dafür könnte der Regionalverband Ruhr als Plattform einen Beitrag leisten – auch wenn das Thema Sicherheit eigentlich nicht zu seinen Themen gehört.
Beispiel 2: Während die Entwicklung von Grundschulen, Gesamt-, Haupt- und Realschulen sowie Gymnasien eher städtisch geregelt werden muss, sind Berufskollegs regionaler zu denken. Als Lernorte, an denen schulische mit berufliche Bildung verbunden werden, sind sie als potenzielle Talentschmieden, verzahnt mit den Hochschulen zu denken, wenn wir das Ruhrgebiet zu einer Innovationsregion weiterentwickeln wollen. Dabei kann es nicht um (Kosten-)Effizienz gehen, sondern um Exzellenz von Bildung und Innovation in unserer Region.
Die Zusammenarbeit im Ruhrgebiet und das Bewusstsein dafür sind ausgeprägter und besser als ihr Ruf. In den letzten Jahren wurden hier schon Fortschritte erzielt. Die Vereinbarungen der Oberbürgermeister im Sommer zur Verbesserung des ÖPNV sind ein Beleg. Diese Entwicklungen sind jedoch vor dem Hintergrund zu sehen, dass sie eigentlich schon vor mehreren Jahrzehnten hätten in Gang gesetzt werden müssen. Die Frage, ob diese Entwicklungen zu spät in Gang gesetzt wurden, ist allerdings müßig zu diskutieren. Der Pessimismus, der in dieser Frage steckt hilft den fünf Millionen Menschen dieser Region nicht weiter, die sich gut bezahlte Ausbildung und Arbeit für Hauptschüler und Abiturienten, ein lebenswertes und sicheres Viertel vor der eigenen Haustür, zügige, günstige und emissionsfreie Mobilität, gutes Zusammenleben und persönliche Entwicklungs- und Aufstiegschancen erhoffen.
Harte Arbeit für die Stadt und für unsere Ruhrgebiet gehören zusammen. Zeit zum Gasgeben für eine offensive Ruhrgebietspolitik – unter anderem im Ruhrparlament, in der Kronprinzenstraße in Essen.