Eine Frage der Abwägung

Planskizze der Stadt zur neuen Kita. Der geplante Kita-Bau ist rot, die geplante Außenfläche gelb umrissen. Der behindertengerechte Zugang zum Park kann im Gegensatz zur Skizze erhalten bleiben.

Zusammenhängende Darstellung der Sach- und Beschlusslage zur neuen Kita an der Barbarastraße

Der Planungsausschuss fällte am Donnerstag, 14.01.2021 die Entscheidung auf einem Teilstück des Röhlinghauser Parks eine Kita zu bauen. Über die Entscheidung wird im Stadtteil viel diskutiert. Wir nehmen die Meinungen zahlreicher Anwohner der Barbarastraße ernst und machen uns für einen vernünftigen Dialog mit ihnen stark. Für die SPD in Röhlinghausen ist die Standortentscheidung keine einfache, sondern eine Frage der Abwägung. Was die Debatte allerdings mal verdient hat: eine vollständige Darstellung der Gesamtlage.

Eine Kita muss her!

Mehr Platz für Kinder in Röhlinghausen.

Röhlinghausen hat einen enormen Bedarf an Kita-Plätzen wie aus der permanenten Erfassung durch das Jugendamt hervor geht. Das liegt an einer viel größeren Menge an Kindern und mit dem im hohen Maß wahrgenommenen Rechtsanspruch der Eltern auf einen U-3-Betreuungsplatz für Kinder. Kann eine Stadt keine Plätze bieten, drohen Klagen. Der Platz in den alten Kitas, die ursprünglich für die Ü-3-Betreuung ausgelegt waren reicht natürlich nicht. Und nicht zuletzt ist das Betreuungsangebot wichtig für viele Familien: entweder haben beide Elternteile den Wunsch entsprechend ihrer Ausbildung ihren Beruf ausüben zu können oder die Familie ist darauf angewiesen, dass beide Elternteile Geld verdienen. U-3-Betreuungsplätze sind also rechtlich und gesellschaftlich ein Muss.

Und dazu kommt: jahrelang wurde in Röhlinghausen die Einschätzung geteilt, dass es zwar gut ist, dass wir eine breite Infrastruktur für Seniorinnen und Senioren mit gutem Image (DRK) haben, es zugleich lange Zeit aber nicht dieselbe Entwicklung für Kinder gab.

Die schwierige Standortsuche (1): Positive Entwicklung im Stadtteil

Freie Flächen sind im Ruhrgebiet rar. Erst recht in Herne. Wenige Orte haben in der Hochphase der Schwerindustrie eine so hohe Verdichtung erfahren. Zahlreiche Flächen des Stadtteils wurden nach dem Abgang von Stahl und Kohle nicht erneut gewerblich genutzt, im Gegenzug der Natur und den Bürgerinnen und Bürgern zur Verfügung gestellt. Zu nennen sind vor allem das Königsgruber Gelände sowie der Landschaftspark Pluto V. Zusammen mit Freiflächen wie etwa denen um das Tierheim, den beiden Halden, dem Röhlinghauser Park und der Erzbahntrasse machen sie die Lebensqualität des Stadtteils aus. Die SPD im Stadtteil stand nicht passiv neben diesen Entwicklungen: sie ist ihr politischer Arm gewesen, der diese Entwicklungen ermöglichte. In den 70er und 80er Jahren wäre das heutige Bild des Stadtteils kaum denkbar gewesen.

Die schwierige Standortsuche (2): Knappe Flächen

Diese positive Entwicklung schränkt jedoch den Spielraum für, ggf. notwendige Schritte der Stadtteilentwicklung ein – beispielsweise, wenn ein neuer Standort für eine Kita benötigt wird.

Die ehemalige Görresschule: Erster Standort, der für eine Kita in Betracht gezogen wurde. Dann ergab sich allerdings die einmalige Chance die erste Hochschuleinrichtung der Stadt hierhin zu holen.

Die erste Überlegung war, die Görresschule für eine neue Kita nutzen. Allerdings gab es dann die Möglichkeit die erste Hochschuleinrichtung der Stadt in das damals leerstehende Gebäude zu holen. Die zweite und lange favorisierte Fläche war das Grundstück hinter der (überdimensionierten) Parkfläche hinter Netto am Röhlinghauser Markt. Diese Fläche wurde jedoch eindeutig zu teuer, zumal der Besitzer offensichtlich andere Verwendungsmöglichkeiten sieht.

Die nächste Variante war dann auf dem Gelände des Spielplatzes an der Barbarastraße im Rücken der alten Kita Hofstraße. Der Spielplatz sollte in diesem Fall in den Röhlinghauser Park verlegt werden. Zu erwähnen: im Kommunalwahlkampf lud die SPD mit Flyern und Online-Werbung zu einer Bürgerversammlung in der Barbarastraße zu dem Thema ein. Gerade weil bewusst war, dass die Kita für ein erhöhtes Verkehrsaufkommen sorgen würde und die Anwohnerinteressen berücksichtigt werden müssen. Das Interesse war zu diesem Zeitpunkt verhalten.

Der Spielplatz an der Barbarastraße. 13 große Bäume hätten hier im Falle des Kita-Baus an dieser Stelle gefällt werden müssen.

Im weiteren Verlauf der Planungen ergab sich, dass für die Kita 13 groß gewachsene Bäume geopfert werden müssten. Die Bezirksvertretung Eickel lehnte dies, angeführt von der SPD-Fraktion ab. Folgerichtig, denn: die Debatten in der Stadt um Baumfällungen haben in den letzten Jahren an Schärfe zugenommen.

Der Zeitdruck nahm in der Zwischenzeit durch diesen zähen Prozess zu. Die arme Stadt Herne ist auf zu genehmigende Gelder der Bezirksregierung angewiesen. Zudem besteht der ohnehin permanente Druck durch den oben beschriebenen Rechtsanspruch auf Betreuungsplätze.

Die Stadt prüfte weitere Möglichkeiten und kam dabei auf die heute umstrittene Fläche im Röhlinghauser Park.

Die schneebedeckte Fläche im Röhlinghauser Park, auf der nach dem Beschluss des Planungsausschusses die Kita gebaut werden soll.

Die Anwohnervertreter aus der Barbarastraße haben in der Zwischenzeit alternative Vorschläge für einen Standort gemacht, die von der Verwaltung als nicht umsetzbar bewertet wurden. Wir werden den Vorschlägen und den Antworten der Stadtverwaltung in Kürze einen eigenen Beitrag widmen. Wir bedanken uns aber vorab für das Engagement.

Kita-Bau unter Bedingungen

Die Bebauung einer Parkfläche? Unter normalen Umständen ein Tabubruch. Alleine der Bedarf an Kita-Plätzen hätte für die Röhlinghauser SPD zur Zustimmung nicht gereicht. Zu groß die Bedeutung von jedem Stück Grün in unserer Stadt. Zu wichtig, der Bevölkerung zur Verfügung stehende Freiflächen.

Deswegen wurden Bedingungen für die Bebauung gestellt, denen Verwaltung und Politik nach dem Beschluss des Planungsausschusses nachkommen werden:

Das heutige Falkenheim wird im Gegenzug zum Kitabau abgerissen, die Fläche dem Park zugeschlagen. Die Falken erhalten ein neues Zuhause.
  • Im Gegenzug für den Kita-Bau wird das im Park befindliche Falkenheim abgerissen und entsiegelt. Das Grundstück wird dem Park zugeführt. Es wird eben nicht jede Möglichkeit genutzt, um Geld mit städtischen Grundstücken zu machen: dazu hätte man auf dem Grundstück des Falkenheims, das der Stadt gehört die Möglichkeit gehabt. Ganz klar: Dieser Flächentausch kompensiert den Kita-Bau nicht ganz. Zu verachten ist er jedoch nicht. Zumal er vor dem Kontext derRenaturierung des Hüller Bachs und der Wiederherstellung der dort befindlichen Parkfläche nach Ende der Bauarbeiten zu betrachten ist. Leider findet dieser wichtige Punkt in der Berichterstattung keine Berücksichtigung.
  • Auch, dass nach Intervention von Bezirksbürgermeister Adi Plickert abgesichert wurde, dass der behindertengerechte Zugang zum Park am oberen Ende der Barbarastraße erhalten bleibt, fand bisher keine Berücksichtigung in der Öffentlichkeit.
  • Der Verkehr in der Barbarastraße hat zugenommen. Wenn Corona wieder vorbei ist, werden die Anwohner wieder mit einem sehr hohen Verkehrsaufkommen umgehen müssen: das Volkshaus wird wieder öffnen, der Sportplatz wird modernisiert und damit stärker nachgefragt und die alte Kita Hofstraße produziert bereits jetzt ein hohes Verkehrsaufkommen. Hier muss mit der neuen Kita ein komplettes Konzept erstellt werden, um die Lage nicht weiter zu verschärfen! Der entsprechende Auftrag ist an die Verwaltung gegangen.
  • Was passiert mit der alten Kita an der Hofstraße? Gerücht und Vorwurf zugleich stehen im Raum: die Stadt will auf der einen Seite ein Grundstück zum Null-Tarif für eine neue Kita, um im Gegenzug die alte Kita abzureißen und für viel Geld an Investoren zu verkaufen. Dass dieses Gerücht aufkommt ist verständlich. War doch die öffentliche Einschätzung der Verwaltung zur Kita Hofstraße diffus. Die Lage sieht aktuell jedoch wie folgt aus: der hohe Druck hinsichtlich der Schaffung neuer Kita-Plätze wird nicht aufhören. Eine Sanierung der in die Jahre gekommenen Kita Hofstraße ist deutlich wahrscheinlicher als ihr Abriss. Und für den Fall eines Abrisses hat die Stadt den Auftrag erhalten, Nutzungsmöglichkeiten zu prüfen, die ein Mehr an Grünflächen an der Stelle ermöglichen.

Zusammenhang mit Entwicklungen im Stadtteil

Zudem lohnt es sich die Gesamtentwicklungen im Stadtteil Röhlinghausen einzubeziehen bevor der Eindruck einer zunehmenden Flächenversiegelung entsteht:

Der ehemalige Sportplatz an der Görresschule. Auf einer Platzhälfte wird eine Grünfläche sowie die Umgebung für grüne Naherholung entwickelt. In den ehemaligen Umkleiden finden die Falken eine neue Heimat.
  • Der ehemalige Sportplatz an der Görresschule wird aktuell weiterentwickelt. Auf einer Platzhälfte wurde bereits Grün angelegt – noch eingezäunt, damit Bäume und Sträucher anwachsen können. Um dieses neue Grün wurde in den ersten Wochen des Jahres ein neuer Weg angelegt. Bis hierher kein Zufall: die SPD in Röhlinghausen hat diese Schritte angestoßen. Und wir arbeiten an Möglichkeiten für die weitere Entwicklung des gesamten Areals – und die Signale dafür sehen gut aus. Die Falken werden in den ehemaligen Umkleiden des Sportplatzes eine neue Heimat in einem auf sie angepassten Umfeld finden. Trotz des Parkplatzes also, erhalten Anwohner und Stadtteil mehr Lebensqualität.
  • Der Sportplatz am Volkshaus wird weiterentwickelt: Auf dem neuen Kunstrasen wird zukünftig nicht nur Fußball, sondern auch Feldhockey gespielt. Mehr Freizeit- und Lebensqualität.
  • Die Verwaltung fragt in diesen Tagen ab welche Wünsche an eine Neugestaltung des Röhlinghauser Markts vorliegen. Die Richtung ist aber jetzt schon absehbar: Mehr Grün und Aufenthaltsqualität auf dem Platz.

Es sind die beschriebenen Bedingungen für die Barbarastraße und ihr Umfeld, plus die beschriebene Gesamtentwicklung im Stadtteil, die uns dem nun beschlossenen Standort der neuen Kita zustimmen lassen. Wir bejubeln diese Entscheidung nicht. Es ist eine der Entscheidungen in Politik, die Resultat einer knappen Abwägung sind.

Wie geht es weiter?

Bis in der Tat gebaut wird, wird noch ein gutes Jahr vergehen. Frühestens im Dezember 2021 könnte begonnen werden. Bis die ersten Kinder in der Kita sind kann es Ende 2022 werden.

Für uns ist der permanente Kontakt mit den Anwohnern seitens der Stadt unerlässlich. Sie müssen rechtzeitig wissen, was vor ihrer Haustür passiert. Auf Sorgen und Einwände muss nach Möglichkeit flexibel reagiert werden.

Grundsätzlich muss in der Stadt überlegt werden, wie der Gesamtprozess grundsätzlich neu geordnet werden kann. In den kommenden Jahren muss noch ein gutes Dutzend neuer Kitas gebaut werden – und die zur Verfügung stehende Fläche wird nicht üppiger. Wo auf engem Raum geplant und gebaut werden soll, muss umso mehr und umso früher miteinander gesprochen werden. Auch dann wird es zu Konflikten kommen. Nur kann trotz Meinungsverschiedenheiten immer nur dort ein Dialog miteinander geführt werden, wo ein Minimum an gegenseitigem Vertrauen herrscht. Und dafür reicht die Abhandlung solch kritischer politischer Themen in Bezirksvertretungen und Ausschüssen des Rates in ihren klassischen Formaten nicht aus. Es müssen große Anstrengungen erbracht werden, damit die Bürgerinnen und Bürger stärker an die Diskussionen in den genannten Gremien angebunden werden. Kommunalpolitik darf kein Closed Shop sein.